Bundeswehr „kaputt gespart“ bei 50% Budget-Steigerung?
von: maqui.blogsport.eu am: 25.04.2018 - 13:35
Das mediale Etablissement ist sich einig: Die Bundeswehr wurde „kaputt gespart“. Wie das bei einem in den letzten Jahren kontinuierlich um über 50% erhöhten Kriegsetat geht und was der „Förderkreis Deutsches Heer“ ist, wird versucht, hier zu verdeutlichen.
Die Bundeswehr als größtes Abrüstungsprojekt seit 1945?
Wer aktuell die Debatte um die Bundeswehr verfolgt, gewinnt den
Eindruck, dass dort unter „Kameradschaft“ vor allem Kumpanei mit Nazis
und Schikanen a la der Zweckentfremdung von Tampons
gemeint sei. Angesichts des medialen Geheules um die Bundeswehr, bei
der sämtliche Technik und ganze Waffengattungen kaputt zu sein scheinen,
könnte man zudem den Eindruck gewinnen, dass die beim Militär
versammelten autoritären Charaktere gerade das größte deutsche
Abrüstungsprojekt seit 1945 durchziehen.
Technikprobleme machen lächerlich
Es mag zwar unterhaltsam sein, zu sehen, wie sich die Bundeswehr, die sich, wie in den „Mach-was-zählt“-Werbekampagnen sichtbar, über überkommende Vorstellungen von Männlichkeit, Stärke und Technikfetischismus
definiert, mit suboptimal einsetzbarer Technik lächerlich macht. Doch
da eigentlich alle am Diskurs Beteiligten von SPD bis NPD ein „starkes
Deutschland“ wollen, ist in den Medienkommentaren regelmäßig gleich nach
dem unterhaltsamen lächerlichen Teil die These zu lesen, dass das
deutsche Militär „kaputt gespart“ worden sei. Anschließend kommt unisono
die Forderung, dem Club von Untergebenen schikanierenden
Nazitollfindern deshalb noch mehr Geld zu geben.
50% mehr Kohle fürs Militär
Schaut man sich die Fakten
an, zeigt sich, dass schon das erste Postulat, die These vom Sparen,
nicht haltbar ist. Vergleicht man die Bundeshaushalte der letzten
Dekaden, dann zweigt sich etwas anderes. Im Jahr 1999 belief sich der
Militärhaushalt auf umgerechnet 24,3 Mrd. Euro und stieg bis 2017 auf 37
Mrd. Euro an. In absoluten Zahlen handelt es sich hier um eine
Steigerung um über 50 Prozent. Selbst inflationsbereinigt stieg der
Haushalt um etwa 28 Prozent an. Auch für die kommenden Jahre liegen die
geplanten Budgetsteigerungen deutlich über der Inflationsrate, aktuell
sind für das Jahr 2021 42,3 Mrd. Euro vorgesehen. Auch die Wertigkeit
der Etats hat sich verschoben. Seit 2006 hat sich der Wehretat vom viertgrößten Einzelposten zur Nummer Zwei entwickelt.
Objektiv lässt sich nicht sagen, dass bei der Bundeswehr gespart worden
wäre. Wer das tut, ist entweder Idiot*in oder Propagandist*in (oder
beides).
Lobbyorganisation an den Schnittstellen
Wie kommt es nun aber, dass alle Welt vom kaputtgesparten Militär,
das mehr Kohle braucht, palavert? Unter anderem liegt das an clever
agierenden Lobby-Organisationen, die an der Schnittstelle zwischen
Industrie, Politik, Militär und Öffentlichkeit agieren. Eine dieser
Organisationen ist der Förderkreis Deutsches Heer. Dieser sitzt im
Lindencorso in Berlin, Unter den Linden. Dort sitzen mit General
Electrics, Volkswagen und Veolia mindestens drei weitere im
Rüstungssektor engagierte Firmen und mit Microsoft darüber hinaus ein
Vereinsmitglied (die in deutschen „Qualitätsmedien“ häufig geäußerte
Aussage, dass dort auch das Vereinsmitglied Rheinmetall einen Sitz
hätte, konnten wir nicht verifizieren). Der Förderkreis Deutsches Heer
dürfte Kenner des militärischen Milieus u.a. als Organisator*in des
„Ball des Heeres“ bekannt sein. Womit sich dann auch gleich die Frage
stellt, wer da eigentlich den Ball des Heeres dem Heer bezahlt? So
richtig transparent mag der Verein damit nicht umgehen. Man erfährt
nicht, wer die 15-20 Mitglieder im Vorstand sind. Auch seine Finanzierung mag der Verein nicht offen legen.
Präsidium aus Militär, Wirtschaft, Politik
Die namentlich genannten Präsidiums-Mitglieder machen aber deutlich,
wie der Verein funktioniert. Es sind Wolfgang Köpke, Generalleutnant
a.D., Frank Haun (Vorsitzender der Geschäftsführung Krauss-Maffei
Wegmann, Vizepräsident Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und
Verteidigungsindustrie, Mitglied des Präsidiums Deutsche Gesellschaft
für Wehrtechnik (DGW), Beiratsmitglied Münchner Sicherheitskonferenz )
und Bernd Siebert, CDU-MdB, Mitglied im Verteidigungsausschuss des
Deutschen Bundestags, Mitglied des Präsidiums Deutsche Gesellschaft für
Wehrtechnik). Weitere zufällig bekannt gewordenen Mitgliedschaften von
Abgeordneten (u.a. Johannes Kars)
zeigen, dass sich der Verein vor allem für den Haushaltsausschuss zu
interessieren scheint. Kein Wunder: Hier wird das Geld für
Rüstungsaufträge und Rüstungsexport verteilt, und im Kriegsministerium
sind sie über die Connegge zu den Militärs ohnehin schon gut vernetzt.
Drehtüren
So kann der Verein vor allen als Drehtür funktionieren. Durch die
Militärs und Abgeordneten im Verein kommen rechtzeitig Infos zur
Industrie, und die Abgeordneten können die Wünsche von Industrie und
Militär bei entsprechender Gelegenheit in den politischen
Willensbildungsprozess einfließen lassen. Doof nur, das eine große
Mehrheit der Bevölkerung dem zum Glück noch kritisch gegenüber steht.
Also brauchen die politischen Willensbildungsprozesse etwas diskursive
Hilfe. Man kann sich gut vorstellen, wie das ablaufen könnte: Während
der Koalitionsverhandlungen steckt man befreundeten Journalist*innen von
den Militärs kommende Informationen über die Folgen des Missmanagements
der Bundeswehr, verbindet es jedoch mit dem Narrativ des
„Kaputtsparens“. Und schon bildet sich das in den kommenden Wehretats
ab…
Verantwortungslose Konzerne?
Bei aller verständlichen Empörung, die die völlig unverantwortlichen
Waffenexporte deutscher Konzerne auslösen, sollte man aber nicht bei dem
klassisch bildungsbürgerlichen Idiot*innengerede von der angeblichen
„Gier der Konzerne“ stehen bleiben. Denn das suggeriert, dass die
Spielregeln, nach denen die Welt funktioniert, eigentlich ganz in
Ordnung seien, und die angeblich bösen Konzerne nur netter und
„verantwortungsbewusster“ sein müssten. Diese schöne einfach ohne
jegliche systematische Veränderung auskommende Idealisierung ist zwar
schön einfach, doch leider völlig absurd.
Herrschaft und Kapitalismus abschaffen
Denn zu den Spielregeln, die im Kapitalismus alle befolgen müssen,
gehört das Gesetz der tendenziell sinkenden Profitrate. Das bedeutet,
dass gesellschaftlich betrachtet durch Innovationen der Profit pro
Werkstück im Zeitverlauf tendenziell sinkt. Wer also sich nichts Neues
zum Geld verdienen ausdenkt, muss irgendwann so wie viele deutschen
Firmen z.B. auch den letzten Giftgas-Dreck an egal wen verscherbeln, um
nicht Pleite zu gehen. Wer also nicht sich geschichtsvergessen und
ahnungslos in regelmäßigen Abständen über die trotz aller „Reformen“
nicht funktionierende Rüstungsexportkontrolle empören möchte, sollte
sich ernsthafte Gedanken zur emanzipatorischen Überwindung von
Herrschaft und Kapitalismus machen.
Mehr Infos:
Wird die Bundeswehr kaputt gespart?
Lobbypedia zum Förderkreis Deutsches Heer:
Grafiken zum Bundeshaushalt:
Auseinandersetzung mit der Bundeswehr-Werbung?
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