Bundeswehr bleibt weiter in Mali
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/bundestag-verlaengert-bundeswehr-mandate-in-fuer-mali-15562585.html
http://www.taz.de/!5075234/ (von 2013)
http://www.taz.de/!5075234/ (von 2013)
Richtig oder falsch?
Frankreich kämpft gegen Islamisten in Mali,
Deutschland schickt als logistische Unterstützung Flugzeuge. Ein Pro
& Contra zur Intervention in Mali.
PRO
Es ist höchste Zeit gewesen,
dass jemand in Mali militärisch interveniert. Das monatelange Warten
unter dem Vorwand, eine politische Lösung finden zu wollen, hat die Lage
im Norden nur verschlimmert. Dabei war schon Mitte 2012 absehbar, dass
eine Militärintervention der einzige Ausweg aus der Krise ist.
Von Anfang an gab es keinerlei
Grundlage, um mit den Islamisten von Ansar Dine (Verfechter des
Glaubens) zu verhandeln. Über was hätte man diskutieren wollen? Ein
bisschen Scharia einführen, sodass zum Beispiel bei Diebstahl statt der
ganzen Hand nur zwei Finger abgehackt werden? Oder hätte die Scharia nur
in einigen der eroberten Städte zum bindenden Gesetz gemacht werden
sollen?
Für solche Kompromissüberlegungen
gibt es keinerlei Legitimation, denn die Besetzung des Nordens ist ein
absolut undemokratischer Prozess gewesen. Außerdem sind die Islamisten
bei der Bevölkerung verhasst. Die große Mehrheit der Malier will, obwohl
sich mehr als 90 Prozent zum Islam bekennen, die islamische
Gesetzgebung nicht. Sie fühlen sich von den Islamisten unterdrückt.
Daher wäre es ein völlig falsches Signal, mit den Unterdrückern am
Verhandlungstisch zu sitzen.
Katrin Gänsler ist Westafrika-Korrespondentin der taz. Sie hat Mali vielfach besucht und von dort berichtet, zuletzt mit der Reportage „Jede ist mal an der Reihe“ aus Mopti.
Andreas Zumach ist UN-und Schweiz-Korrespondent der taz mit Sitz in Genf. 2009 erhielt er den Göttinger Friedenspreis. 2005 schrieb er das Buch „Die kommenden Kriege“.
Andreas Zumach ist UN-und Schweiz-Korrespondent der taz mit Sitz in Genf. 2009 erhielt er den Göttinger Friedenspreis. 2005 schrieb er das Buch „Die kommenden Kriege“.
Das gilt auch für die beiden
Terrorgruppen, die Bewegung für Einheit und Jihad in Westafrika (Mujao)
sowie die al-Qaida im islamischen Maghreb (Aqmi). Es sind Terroristen,
die Kämpfer aus den Nachbarländern, aber auch Afghanistan und Pakistan
anlocken, und die sich unter anderem mit Entführungen von Europäern und
einem offenbar gut strukturierten Drogenhandel in der ganzen Region
finanzieren.
In einem Wüstengebiet wie im
Norden Malis ist es völlig aussichtslos, diese Gruppierungen anders als
mit einem groß angelegten Militäreinsatz zu bekämpfen. Die Region ist
dünn besiedelt und für Fremde ein sandgelber Fleck. Es gibt nicht an
jeder Ecke Polizeistationen oder Kasernen mit gut ausgebildetem
Personal, das etwas gegen Terroristen unternehmen könnte.
Daher ist die Entscheidung
Frankreichs, militärisch zu intervenieren, richtig. Natürlich heißt es
nun: Die einstige Kolonialmacht spielt sich wieder auf. Aber wer hätte
es sonst getan? Niemand! Auf internationaler Ebene ist monatelang
ergebnislos diskutiert worden.
Viele Malier hat das wütend
gemacht und verletzt: „In Libyen waren alle nach kurzer Zeit da. Aber
für uns interessiert sich die Welt nicht“, hat es in Mali oft geheißen.
Doch auf die Stimmung und die Befindlichkeiten im Land hört in Europa
natürlich niemand.
Positive Nebenwirkung: Zugzwang für andere Länder
Nur Frankreich hat kapiert, dass
es handeln muss, und in Mali wird das überwiegend begrüßt. Damit
verbunden ist eine positive Nebenwirkung: Nun sind andere Länder im
Zugzwang, sich an einem Einsatz in Westafrika zu beteiligen. Mehrere
Staaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas haben schon
Soldaten geschickt. Nun sollten europäische Länder nachziehen – auch
Deutschland.
Der Einsatz von deutschen Soldaten
gemeinsam mit anderen europäischen Streitkräften würde Mali und der
gesamten Region zeigen: Wir nehmen euch und eure Sorgen und Nöte ernst!
Wir reden nicht mehr nur über Demokratie, hehre Ziele und politische
Prozesse. Nein, wir sind bereit, uns die Finger schmutzig zu machen und
ziehen den Kopf nicht ein, wenn es konkret wird.
Außerdem würde der Einsatz
Vertrauen schaffen. Was nach europäischer Überheblichkeit klingt, stellt
sich im afrikanischen Alltag anders dar: Deutsche Soldaten gelten als
solide ausgebildet. Anders als bei den Franzosen bestehen zudem weder
historische Verflechtungen noch strategische Machtspielchen. Mit diesen
Vorteilen können übrigens weder die malische Armee – die vielleicht noch
über 6.000 Soldaten verfügt – noch die Streitkräfte der Ecowas punkten.
Alleine könnten sie den Kampf gegen Islamisten und Terroristen nicht
gewinnen.
Das Land:
Mali liegt in Westafrika am Niger. Bis 1960 war es französische
Kolonie. Hauptstadt ist das im Südwesten gelegene Bamako. Im Nordosten
liegt die Oasenstadt Timbuktu.
Rebellion: Im März 2012 stürzten meuternde Soldaten den damaligen Präsidenten Amadou Toumani Touré. Im April nutzten Tuareg-Rebellen die unklare Lage, eroberten den Nordosten des Landes und riefen den Staat Azawad aus. Seither war Mali faktisch zweigeteilt. Später übernahmen Islamisten die Führung im Nordosten, zerstörten zum Weltkulturerbe gehörende Mausoleen und führten die islamische Rechtsprechung nach der Scharia ein. Anfang Januar rückten sie nach Süden vor und nahmen die strategisch wichtige Stadt Konna ein.
Intervention: Nachdem Malis Präsident Boubacar Traoré um Hilfe gebeten hatte, schickte Frankreich am 11. Januar Soldaten, die die Rebellen zurückdrängen. Am Mittwoch starteten sie eine Bodenoffensive, um die Stadt Diabali zurückzuerobern.
Rebellion: Im März 2012 stürzten meuternde Soldaten den damaligen Präsidenten Amadou Toumani Touré. Im April nutzten Tuareg-Rebellen die unklare Lage, eroberten den Nordosten des Landes und riefen den Staat Azawad aus. Seither war Mali faktisch zweigeteilt. Später übernahmen Islamisten die Führung im Nordosten, zerstörten zum Weltkulturerbe gehörende Mausoleen und führten die islamische Rechtsprechung nach der Scharia ein. Anfang Januar rückten sie nach Süden vor und nahmen die strategisch wichtige Stadt Konna ein.
Intervention: Nachdem Malis Präsident Boubacar Traoré um Hilfe gebeten hatte, schickte Frankreich am 11. Januar Soldaten, die die Rebellen zurückdrängen. Am Mittwoch starteten sie eine Bodenoffensive, um die Stadt Diabali zurückzuerobern.
Daher ist es höchste Zeit, dass
sich Deutschland an einem Militäreinsatz beteiligt. Denn in diesem Fall
gilt die abgedroschene Floskel, besser ein Ende mit Schrecken, als ein
Schrecken ohne Ende, tatsächlich mal. KATRIN GÄNSLER
CONTRA
„Terroristen und islamistische
Rebellen bekämpfen“; „Sezession verhindern und die territoriale
Integrität des Landes wiederherstellen“; „Drogenschmuggel und
Bandenkriminalität unterbinden“: Mit diesen Zielen rechtfertigt die
französische Regierung ihre eskalierende Militärintervention „Operation
Serval“ in Mali. Sie wird dabei zumindest politisch unterstützt von den
demokratischen Regierungen des Westens ebenso wie von den autoritären
Regimen Russlands und Chinas, die auf ihren Staatsgebieten ebenfalls
Probleme haben mit radikalislamischen und sezessionswilligen
Gruppierungen.
Mit ähnlichen und teilweise noch
weiterreichenden Zielsetzungen (Stabilisierung, Frieden, Wiederaufbau,
Demokratie Rechtsstaat, Menschen- und Frauenrechte) wurden fast alle
Militärinterventionen und Kriege seit Ende des Ost-West-Konfliktes und
insbesondere seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 Jahre
begründet. Sei es in Tschetschenien, Afghanistan, Somalia, Irak oder
anderswo.
Doch in keinem einzigen Fall
wurden die proklamierten Ziele erreicht. Und schon gar nicht eine
nachhaltige Befriedung der jeweiligen Konflikte durch Überwindung ihrer
politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder anderweitigen
Ursachen. Auch der von den USA seit nun schon fast 30 Jahren geführte
Krieg zur Bekämpfung des Drogenanbaus in Mittelamerika ist gescheitert.
In einigen Fällen wirkten die
militärischen Interventionen sogar kontraproduktiv und führten statt zur
angestrebten Schwächung oder gar Vernichtung der jeweils bekämpften
Gruppierungen zu ihrer Stärkung.
Angesichts dieser Erfahrungen
steht zu erwarten, dass sich auch im aktuellen Fall Mali die
Militärintervention als untaugliches Mittel zur Durchsetzung der
proklamierten Ziele erweisen oder gar kontraproduktiv auswirken wird.
Zumal, wenn wesentliche Ursachen
für die innenpolitische Krise in Mali sowie entscheidende Faktoren für
die Stärkung der jetzt bekämpften islamistischen Gruppierungen weiter
ausgeblendet bleiben: Mali war keineswegs der stabile demokratische
Musterstaat, als der er in westlichen Medien häufig dargestellt wurde.
Die Zentralregierung schürte durch jahrelange, systematische
Benachteiligung des Nordens die Autonomie- bis Sezessionsbestrebungen
der dortigen Tuareg.
Doch stark genug, um im April
2012 ihren eigenen Staat auszurufen, wurden die
Tuareg-Befreiungsbewegung MNLA und die mit ihnen zunächst noch
verbündeten islamistischen Gruppen erst dank der vielen Waffen aus dem
libyschen Bürgerkrieg sowie dank mehrerer tausend aus Libyen geflohener
Kämpfer, die zuvor Gaddafi unterstützt hatten.
Zweifel an Tauglichkeit der Intervention
An der Kontrolle dieser Waffen
zeigte die damals von Frankreich, Großbritannien und den USA geführte
Kriegsallianz gegen Gaddafi nach dessen Sturz ebenso wenig Interesse wie
an der Verhinderung von Racheakten gegen Sympathisanten des früheren
Regimes. Bei den jetzt von Frankreich bekämpften radikalislamischen
Gruppierungen, die der gemäßigten, sufistisch-islamischen Bevölkerung
Malis die Scharia aufzwingen, handelt es sich um Wahhabiten. Finanziert
werden sie - ähnlich wie einst die Attentäter von 11./9. - vom Ölstaat
Saudi-Arabien, dem wichtigsten Verbündeten des Westens im Nahen und
Mittleren Osten.
Die Zweifel an der Tauglichkeit
der militärischen Intervention in Mali zur Erreichung der proklamierten
Ziele bestehen grundsätzlich - unabhängig davon, ob die Intervention
allein von Frankreich geführt wird, oder von der EU, der Nato, der
westafrikanischen Staatenallianz Ecowas oder einer UNO-Truppe. Doch die
allein von der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich begonnene
„Intervention im klassischen neokolonialen Stil schmutziger
Afrikakriege“ (Dominic Johnson, taz 14. 1.)
ist das denkbar ungünstigste Szenario. Denn es enthält das größte
Rekrutierungspotenzial für die radikalislamischen und potenziell
terrorbereiten Gruppierungen in ganz Nordwestafrika.
Die Intervention Frankreichs hat
das größte Rekrutierungspotenzial für die radikalislamischen und
potenziell terrorbereiten Gruppierungen in ganz Nordwestafrika. ANDREAS ZUMACH
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