"keine vollständigen Tatsacheninformationen"... lächerlich
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2018/03/2018-03-09-regpk.html
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Frage: Thema Türkei und Afrin. Der Wissenschaftliche Dienst des
Bundestages hat mittlerweile eine Auswertung auf Anfrage von
Parlamentariern vorgelegt. Diese folgt weder der türkischen
Argumentation noch der deutschen. Die Bundesregierung spricht davon,
dass die Türkei ein Selbstverteidigungsrecht wahrnimmt. Sie haben ja
selbst von „legitimen Sicherheitsinteressen“ gesprochen. Der
Wissenschaftliche Dienst spricht davon, dass die türkische Regierung
jedoch „den konkreten Beweis für das Vorliegen eines das
Selbstverteidigungsrecht auslösenden ‚bewaffneten Angriffs’ schuldig“
bleibt.
Die Bundesregierung hat hier immer das, was die Türkei sagt,
wiederholt und sich selbst einer völkerrechtlichen Prüfung entzogen.
Haben Sie, anders als der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages,
diese Beweise, die dafür notwendig sind, dass diese Argumentation in
irgendeiner Weise Sinn macht, vorliegen?
Adebahr: Dazu möchte ich gerne sagen, dass wir bei dem Sachstand, den
der Bundestag jetzt vorgelegt hat, sehen, dass er eine Reihe von Fragen
aufwirft, die wir hier mehrfach diskutiert haben, und dass wir auch zur
Kenntnis nehmen, dass dieser Sachstand darauf hinweist, dass die
Faktenlage nicht vollständig ist und in seiner Gesamtaussage zu dem
Schluss kommt, dass die Fragestellung einer völkerrechtlichen Bewertung
nicht abschließend zu beantworten ist. Ich denke, das ist die gleiche
Richtung, in der wir hier auch ausgeführt haben.
Sagen wir so: Ich habe hier dargestellt, was die Türkei als
Begründung für ihren Einsatz angegeben hat. Ich habe Ihnen dargestellt,
dass uns - das ist auch der heutige Stand - eben keine vollständigen
Tatsacheninformationen vorliegen, die uns eine eigene völkerrechtliche
Bewertung erlauben würden. Das ist auch eine Sache, die ich aus der
Sachlage, die der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags vorgestellt
hat, herauslese.
Dann möchte ich noch einmal anfügen, dass wir, zuletzt auch der
Bundesaußenminister in einer Pressekonferenz mit dem türkischen
Amtskollegen, der Türkei mehrfach und immer wieder gesagt haben, dass
wir eine Einstellung der Kampfhandlungen fordern, dass wir eine
vollständige Umsetzung der Resolution 2401 fordern, dass wir auch sehen,
dass sich die türkischen Sicherheitsinteressen auf das Notwendige und
das Verhältnismäßige beschränken müssen, dass vor allen Dingen das
humanitäre Völkerrecht einzuhalten ist und der Schutz der
Zivilbevölkerung Vorrang haben sollte.
Das sind politische Aussagen, die Sie von uns sehr klar und deutlich gehört haben.
Zusatzfrage: Ich muss noch einmal konkret nachfragen: Hält die
Bundesregierung die Selbstverteidigungsargumentation der Türkei für
plausibel?
Adebahr: Wenn ich die Frage mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten würde - - Das ist ja eine Frage, die man - -
Zuruf: Der Wissenschaftliche Dienst sagt „Nein“.
Adebahr: Der Wissenschaftliche Dienst sagt, dass eine
völkerrechtliche Bewertung abschließend nicht möglich ist. Das deckt
sich mit dem, was ich hier wiederholt vorgetragen habe.
Zusatzfrage: Können Sie meine Frage beantworten: Hält die
Bundesregierung die Selbstverteidigungslogik immer noch für plausibel?
Adebahr: Ich antworte Ihnen darauf mit dem Satz, dass uns keine
vollständigen Tatsacheninformationen vorliegen, die eine rechtliche
Bewertung erlauben würden.
Frage: In den vergangenen Wochen, Frau Adebahr, war Ihre
Argumentation, wenn ich das richtig erinnere, dass Sie als Begründung
für den Afrin-Einsatz sagten: Da die Türkei bei den Vereinten Nationen
das Recht auf Selbstverteidigung angeführt habe, könnten Sie
völkerrechtlich nicht bewerten. Wenn nun das Ergebnis des
Wissenschaftlichen Dienstes ist, dass sich aus dem, was die Türkei
vorgelegt hat, nicht erschließt, dass sie dieses Recht in Anspruch
nehmen könnte, dann müsste das, finde ich, doch ein Stück weit auch die
Positionierung der Bundesregierung verändern. Es ist ja ein Unterschied,
ob ich sage „Wir können nichts sagen, weil die Türkei ein Wahlrecht auf
Selbstverteidigung für sich in Anspruch nimmt“, jetzt aber festgestellt
wird, dass sich bei dem, was die Türkei vorgelegt hat, nicht
rückschließen lässt, dass es ein Recht auf Selbstverteidigung ist. Das
ist doch eine substanziell andere Situation.
Adebahr: Meiner Kenntnis nach ist es so, dass wir - und auch ich -
von dieser Stelle aus gesagt haben, was die Türkei vorträgt und wir uns
für gesagt haben: Uns liegen keine vollständigen Tatsacheninformationen
vor, die eine völkerrechtliche Bewertung für uns zulassen.
Ich will hier den Sachstand des Wissenschaftlichen Dienstes des
Bundestages nicht im Einzelnen kommentieren. Aber meiner Kenntnis nach
kommt man auch dort letztlich zu dem Schluss: Eine Bewertung ist nicht
möglich.
Zusatzfrage: Ich ziehe einmal die Parallele zu den Verhaftungsfällen
von deutschen Journalisten. Die Türkei hat im Fall Deniz Yücel ein Jahr
lang von Terrorismusverdacht gesprochen, hat aber nie Beweise dafür
vorgelegt, sondern immer nur von Terrorismusverdacht oder Verdacht auf
Terrorismusunterstützung gesprochen. Da haben Sie sehr wohl nach relativ
kurzer Zeit gesagt: Die können nichts vorlegen. Das glauben wir nicht.
Das erschließt sich uns nicht. - Analog dazu könnten Sie das in diesem
Fall doch vielleicht auch machen und nicht sagen: Solange wir keinen
kompletten Überblick haben, können wir gar nichts dazu sagen.
Adebahr: Das ist eine Anregung, die Sie jetzt machen. Ich glaube, ich
möchte nicht Parallelen zwischen dem Einsatz um Afrin und einem
konkreten Haftfall ziehen.
Frage: Frau Adebahr, Voraussetzung für eine Selbstverteidigungslage
ist ja ein bewaffneter Angriff gegen einen Mitgliedstaat. Die Türken
behaupten, dass es vor der „Operation Olivenzweig“ - so heißt der
Angriff im Januar - Angriffe von der anderen Seite gab. Haben Sie
konkrete Beweise, Erkenntnisse über Opferzahlen, über die Intensität des
angeblichen Angriffs, über das Ausmaß von Zerstörungen usw.? Haben Sie
das in irgendeiner Weise in Erfahrung gebracht? Der Wissenschaftliche
Dienst hat ja türkische Medien, internationale Medien, syrische Medien,
Nato-Meldungen usw. durchforstet. Da gab es nichts, was einen Angriff,
der zur Selbstverteidigung führen würde, rechtfertigen würde. Haben Sie
irgendetwas?
Adebahr: Darauf kann ich nur sagen, dass wir der türkischen Seite
unsere Haltung - die habe ich auch mehrfach ausgeführt - klar dargelegt
haben und das auch der türkischen Seite sehr klar ist.
Zusatzfrage: Pflicht eines Nato-Partners ist es ja nicht nur, den
Nato-Partner zum Stopp des Angriffs aufzufordern - das tut die
Bundesregierung ja -, sondern die andere Pflicht ist, dass sie die
Türkei auffordert, triftige Beweise für die Selbstverteidigung
vorzulegen. Tut die Bundesregierung das? Hat die Bundesregierung die
Türkei aufgefordert, Beweise für die angebliche Selbstverteidigungslage
vorzulegen?
Adebahr: Ich glaube, ich habe zu dem Themenkomplex das gesagt, was ich sagen wollte.
Zuruf : Nein!
Adebahr: Das, was ich sagen wollte, habe ich gesagt. Eine
Pflichtendiskussion in dieser Art über das Thema ist, glaube ich, hier
von mir nicht zu führen. Ich glaube, ich habe für die Bundesregierung
unsere Haltung zu diesem Themenkomplex, soweit ich das von dieser Stelle
machen kann und ausführlich machen kann, dargestellt.
Frage: Sie sehen es mir nach, dass ich trotzdem noch einmal genau an der Stelle weitermachen muss.
Ich darf einmal aus dem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des
Bundestages zitieren: „Den Nato-Bündnispartnern würde es nun obliegen,
das Nato-Mitglied Türkei z.B. im Rahmen von Nato-Konsultationen nach
Art. 4 Nato-Vertrag aufzufordern, triftige Beweise für das Vorliegen
einer Selbstverteidigungslage nach Art. 51 VN-Charta beizubringen ...“
Die simple Frage: Beabsichtigt die Bundesregierung das?
Adebahr: Zur Frage, wie die Nato damit umgeht: Dazu gab es Beratungen.
Ob die Nato dazu weitere Beratungen führen und dazu einladen möchte,
ist eine Frage, die Sie primär erst einmal an die Nato stellen müssten,
die diese Entscheidung zu treffen hat.
Zusatzfrage: Meine Frage ist ja, ob das Nato-Mitglied Bundesrepublik
Deutschland beabsichtigt, solche Konsultationen voranzutreiben.
Adebahr: Ich kann Ihnen nach dem aktuellen Stand sagen, dass wir uns
in der Nato, wenn es dort beraten werden sollte, natürlich keiner
Beratung verschließen. Es ist aber eine Entscheidung, die die Nato zu
treffen hat.
Frage: Wenn ich es richtig verstanden habe, geht es ja doch um die
Pflichten, respektive Rechte des einzelnen Nato-Mitglieds. Aber
vielleicht kann Herr Henjes uns dazu etwas sagen. Er ist meines Wissens
relativer Experte für genau solche Fragen.
Henjes: Erst einmal vielen Dank für die Blumen. - Sie sehen mich hier
in der Verantwortung als Sprecher des Verteidigungsministeriums. Ich
denke, die Bewertung, inwiefern hier der Nato-Vertrag im Vorfeld oder
nicht greift, werde ich hier nicht abgeben.
Zuruf : Schade!
Frage: Nur zum Verständnis, Frau Adebahr: Können Sie uns erklären,
warum der Wissenschaftliche Dienst schneller die Frage des Völkerrechts
prüfen kann als das Auswärtige Amt?
Adebahr: Hier geht es nicht um schnell oder langsam. Es geht darum,
dass ich vorgetragen habe, aus welchen Gründen wir keine
völkerrechtliche Bewertung vorliegen. Und so ist es.
Zusatzfrage : Wann können wir denn damit rechnen?
Adebahr: Ich glaube, dazu ist auch alles gesagt."
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