Das Fanal von Afrin

Deutsche Panzer gegen Kurden


Im Schutze deutscher "Leopard"-Panzer vertreiben türkische Soldaten Hunderttausende Zivilisten aus Afrin, ziehen islamistische Milizionäre plündernd durch die Stadt. Die deutsche Außenpolitik hat versagt.
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Türkische Soldaten in Afrin
AREF TAMMAWI/EPA-EFE/REX/Shutterstock
Türkische Soldaten in Afrin
Selten kann man das Versagen deutscher Außenpolitik so eindrücklich und in Echtzeit verfolgen wie dieser Tage in Afrin. Die türkische Armee hat am Wochenende die Hauptstadt des gleichnamigen kurdischen Kantons in Syrien erobert. Nun rollen auch deutsche "Leopard 2"-Panzer durch Afrin.
Deutschland hatte der Türkei zwischen 2006 und 2011 insgesamt 354 "Leopard 2" geliefert - ohne Auflagen für den Einsatz zu erteilen. Dem Nato-Partner wurde es lediglich untersagt, die Panzer an Dritte zu verkaufen oder zu verschenken. Damit hat die Bundesregierung jetzt auch keinerlei rechtliche Möglichkeit, gegen den Einsatz der schweren Kampfpanzer aus deutscher Produktion zu intervenieren.
Die Regierung von Recep Tayyip Erdogan beteuert, der Einsatz gegen die kurdische YPG-Miliz in Afrin diene dem Schutz der Nato-Grenzen. Als vor drei Jahren die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) Hunderte Kilometer der syrisch-türkischen Grenze kontrollierte, war Erdogan der Grenzschutz noch herzlich egal. Ohne große Probleme konnten IS-Anhänger über die Türkei nach Syrien ein- und ausreisen.
Video: Türkische Kurden zur Afrin-Offensive
 
Erdogan geht es darum, einmal mehr die Kurden zu erniedrigen und damit seine Popularität unter nationalistischen Türken zu festigen. Kurz nach der Einnahme von Afrin zerstörten türkische Truppen und verbündete syrisch-arabische Milizionäre die Kaveh-Ahangar-Statue im Stadtzentrum. "Kaveh der Schmied" steht in der kurdischen Mythologie für den Kampf gegen Tyrannei und fremde Invasoren.
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Eroberte syrische Stadt: In Afrin rollen die Bulldozer
Die türkische Armee hat sich in ihrem Kampf gegen die Kurden mit islamistischen syrischen Rebellen verbündet, die unter dem Label der Freien Syrischen Armee (FSA) auftreten. Tatsächlich ist dieses Milizenbündnis mittlerweile weder frei noch syrisch noch eine Armee. Die FSA ist zum bloßen Erfüllungsgehilfen der Türkei geworden. Auf Geheiß Erdogans kämpft sie nicht mehr gegen das Assad-Regime, sondern gegen die YPG-Miliz.
Unheilige Allianz aus türkischem Nationalismus und militantem Islamismus
Und so ziehen diese FSA-Kämpfer im Schutze deutscher "Leopard"-Panzer plündernd und marodierend durch Afrin. Sie brechen in Wohnungen und Läden ein und nehmen alles mit, was ihnen in die Hände fällt: Lebensmittel, Elektrogeräte, Decken, Motorräder, Traktoren.
In Afrin wütet eine unheilige Allianz aus türkischem Nationalismus und militantem Islamismus. Türkische Soldaten sprühen "Türkiye"-Schriftzüge an Häuserwände und zeigen den Gruß der rechtsextremen Grauen Wölfe. Syrische Milizionäre zeigen den sogenannten Tauhid-Finger, einen ausgestreckten Zeigefinger, der in den vergangenen Jahren zum Symbol der Salafisten geworden ist. Auf den Bildern aus Afrin lässt sich so oft erst auf den zweiten Blick erkennen, dass die Stadt nicht vom IS, sondern von der türkischen Armee und ihren Verbündeten eingenommen worden ist.
Mindestens 200.000 Kurden sind vor den Eroberern aus Afrin geflüchtet, vertrieben von deutschen Panzern. Da kann die Bundesregierung im Koalitionsvertrag und in Sonntagsreden noch so viel davon reden, dass man "Fluchtursachen bekämpfen" wolle. Solange Berlin die Rüstungsexporte in die Türkei, aber auch an Staaten wie Saudi-Arabien nicht dauerhaft stoppt, sind solche hehren Worte Makulatur.
Der Glaube, man habe nach der Lieferung irgendeinen Einfluss darauf, wie die Waffen eingesetzt werden, hat sich einmal mehr als Illusion erwiesen. Nie ist das deutlicher geworden als nun in Afrin.

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